Schaumwein

Vereinfacht bezeichnet der Oberbegriff Schaumwein jene Weine, welche mit Kohlensäure (bzw. Kohlendioxyd; CO2) angereichert bzw. übersättigt wurden und daher einen Überdruck von mindestens 3 bar bei 20 °C aufweisen .

Schaumwein kann durch die Kohlensäure aus seiner natürlichen Gärung oder durch eingepumpte (fremde) Kohlensäure entstehen. Ist der Kohlensäureüberdruck in der Flasche herstellungsbedingt nur sehr gering (mindestens 1,0 bis 2,5 bar bei 20 °C), sprudelt der Wein im Glas nur geringfügig und man spricht von einem ‚Perlwein‘. Perlwein ist kein Schaumwein, sondern gilt von der Qualitätsstufe her lediglich als ‚Tafelwein‘.

Schäumender Wein wurde nicht erfunden, sondern ist im Ursprung eher einer Laune der Natur zu verdanken. Schäumende Weine werden nicht nur aus Traubensaft hergestellt, sondern auch aus einer Vielzahl anderer Früchte. Diese werden öfters als ’schaumweinähnliche Getränke‘ gruppiert.

Fast jeder Wein hat irgendwann in seiner Entwicklung mehr oder minder ganz natürlich ‚gesprudelt‘. Treffen Hefen im Traubensaft bzw. ‚Most‘ auf Zucker, dann werden sie bei einer angemessenen Temperatur diesen Zucker in Alkohol und Kohlensäure umwandeln. Während dieser sogenannten Gärung sprudelt jeder Most mehr oder minder. Normalerweise verfliegt die Kohlensäure während der Gärung jedoch fast so schnell wie sie entsteht. Sobald die Hefen keinen Zucker mehr verarbeiten, sprudelt der Most auch nicht mehr. Daraufhin wird dieser alkoholische Most gemeinhin als (stiller) Wein bezeichnet. Der ‚Trick‘ bei der Herstellung von Schaumwein ist somit nicht die Bildung der Kohlensäure, sondern eher das erfolgreiche ‚Einsperren‘ der Kohlensäure in einer Weinflasche. Dies gelingt durch drei Methoden:

1. Die älteste Methode zur Gewinnung von Schaumwein wird als ländliche Methode bzw. méthode rurale bezeichnet. Hierbei gärt der Most teilweise oder vollkommen in geschlossenen Behältnissen – und zwar lediglich auf Basis des vorhandenen Traubenzuckers in den ürsprünglichen Reben.

Der Most gärt (wie bei der Bereitung üblicher Weine auch) bei dieser Methode nur einmal. Diese Gärung kann entweder vollständig in druckfesten Behältnissen vollzogen oder aber durch kühle Temperaturen in ihrem Verlauf unterbrochen werden. Während die Hefe bei der unterbrochenen Gärung im kühlen Most vorübergehend ruht, kann dieser noch unvollständig vergorene Most in Flaschen übertragen werden, welche daraufhin mit Korken (Kron- oder Naturkorken) dicht verschlossen werden. Dieselben Hefen setzen dann die Gärung mit dem verbliebenen Zucker bei wärmeren Temperaturen in den Flaschen fort. Ist der Prozess beendet, wird der Hefesatz aus den Flaschen (durch Degorgierung) oder den Druckbehältern (durch Filter-Verfahren) entfernt. Allgemein werden bei der Flaschengärung daraufhin dieselben Flaschen endgültig mit Naturkorken dicht verschlossen. Der Schaumwein aus den Drucktanks wird in in Flaschen abgefüllt und ebenfalls mit Naturkorken verschlossen.

Schaumweine, welche nur mit dem natürlichen Traubenzucker der Reben zur Gärung gebracht wurden, werden auch als Naturschaumweine bezeichnet. Einen Klassiker in dieser Schaumweingruppe stellt der berühmte Asti Spumante dar. Daneben gibt es den Blanquette de Limoux und den Clairette de Die.

Im Laufe der Zeit setzten Kellermeister dem Most öfters mehr oder weniger qualifiziert Zucker zu, um bei seiner Gärung die Entstehung von mehr Kohlensäure hervorzurufen. Die Perfektion dieser Art der Schaumweinproduktion (bei der es nicht nur um ‚mehr Kohlensäure‘ ging) entstand in der Champagne. Daher wurde die dort praktizierte Methode als méthode champenois weltweit bekannt. Bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts war diese Abwandlung der klassischen méthode rurale bei der Herstellung von Champagner und Sekt oft noch im Einsatz. Manchmal wird die Erweiterung bzw. Fortsetzung der ersten Gärung (Nachgärung) durch Zugabe von Zucker zwecks Förderung der Kohlensäurebildung in druckfesten Behältnissen auch als ‚zweite Gärung‘ bezeichnet. Erst seit der erfolgreichen Züchtung von besonderen Hefen (sogenannten Reinzuchthefen; 1894 in Geisenheim/Deutschland, 1895 in Epernay/Frankreich) kann jedoch von einer zweiten Gärung bei der Sekt- oder Champagnergewinnung auf heutigem Niveau die Rede sein.

2. Bei der zweiten Methode wird nicht der Most teilweise oder vollständig in druckfesten Behältnissen vergärt, sondern ein fertiger (stiller) Wein durch die Zugabe von Zucker und Reinzuchthefe zu einer erneuten Gärung angeregt. Dies wird sinngemäß als die zweite Gärung bezeichnet. Vereinfacht könnte man auch sagen, daß talentierte Kellermeister ihre eigentlich bereits vollendeten Weine durch Zugabe von Zucker und besonderer Hefe nochmals Kohlensäure produzieren lassen. Diese zweite Gärung der Weine (oder der Weinverschnitte) muss in Druck-Behältern (Großraumgärung) oder in verschlossenen Flaschen (Flaschengärung) vollzogen werden, damit sich die Kohlensäure nicht verflüchtigt. Die zweite Gärung läßt sich wiederum durch drei verschiedene Verfahren realisieren:

2a. Charmat-Verfahren, Großraumgärung (méthode charmat)
Benannt nach dem französischen Wissenschaftler Eugene Charmat handelt es sich bei diesem Verfahren um Großraumgärung in großen Edelstahl-Drucktanks. Manche dieser klimatisierten Tanks fassen 100.000 bis 200.000 Liter Wein. Der Wein wird durch Zugabe von Zucker und Zuchthefen zur zweiten Gärung gebracht. Die entstehende Kohlensäure bleibt im Drucktank gefangen und verwandelt den Wein in Schaumwein. Da die Hefen nach dem Absterben dem Schaumwein weitere kostbare Geschmacksstoffe verleihen, wird der Hefesatz im Tank von mächtigen Rührwerken periodisch aufgewirbelt. Bei deutschem Sekt beispielsweise verbringt der Schaumwein mindestens sechs Monate mit dem Hefesatz im Tank. Auch die Dosierung, welche dem Schaumwein die gewünschte geschmackliche Restsüße verleiht, kann sehr gleichmäßig in die enorme Menge Schaumewein eingemischt werden. Zuletzt wird der Tank auf Minusgrade heruntergekühlt. Bei dieser Temperatur wird die Kohlensäure im Schaumwein ‚inaktiv‘ und daher im Schaumwein gebunden. Nun kann der Schaumwein gefiltert und und daraufhin in Flaschen abgefüllt werden. Von den mehr als 1,5 Milliarden Flaschen diverser Schaumweine aus aller Welt wird der Großteil mit dem Charmat-Verfahren hergestellt. Auch fast jeder deutsche Sekt entsteht auf diese Weise.

2.b. Transvasier-Verfahren
Die Bezeichnung für dieses Verfahrens leitet sich vom französischen Wort transvaser ab, was so viel wie ‚umfüllen‘, ‚umgießen‘ bedeutet. Beim Transvasier-Verfahren handelt es sich um eine vollautomatische Art der ‚Flaschengärung‘. Die zweite Gärung der Weine findet in vielen Flaschen als Anteil eines großen geschlossenen Systems statt. Nachdem der Wein in den Flaschen (oft handelt es sich hierbei um Magnum-Flaschen, die mehrfach eingesetzt werden können) seine zweite Gärung vollendet hat, wird er mit Gegendruck in große Drucktanks befördert. Anschließend kann er dort (ähnlich wie beim Charmat-Verfahren) mit Zucker geschmacklich ausgewogen und gefiltert werden. Dann wird er in (neue) Flaschen abgefüllt. Der Leser könnte sich jetzt berechtigt fragen, warum nicht gleich das Charmat-Verfahren zur Gewinnung des Schaumweins eingesetzt wurde. Der Grund könnte im Wort ‚Flaschengärung‘ verborgen sein, da der deutsche Gesetzgeber diese Bezeichnung bei Sekt dieser Art auf dem Etikett gestattet. Dem Genießer suggeriert das Wort ‚Flaschengärung‘ wahrscheinlich ‚Mehrwert‘ und ‚Tradition‘, wodurch sich ein höherer Preis erzielen lassen dürfte.

2.c. Traditionelle Flaschengärung, klassisches Flaschengärverfahren
Schaumweine dieser Art werden ähnlich (manchmal auch genau) wie Champagner hergestellt. Die zweite Gärung vollzieht sich in individuellen Flaschen. Die Schaumweine lagern danach langfristig ‚auf der Hefe‘, werden von Hand oder maschinell gerüttelt, daraufhin entheft bzw. degorgiert, mitunter mit einer Dosage versehen, mit Naturkorken versehen und ausgeliefert. Früher durfte dieses Verfahren in der EG allgemein als méthode champenois bezeichnet werden. Später wurde diese Bezeichnung gesetzlich auf Erzeugnisse der Champagne beschränkt. In manchen anderen Ländern außerhalb der EG gibt es diese Bezeichnung jedoch noch heute. Durch dieses Verfahren entstehen die aufwendigsten und zugleich besten Schaumweine der Welt. Champagner gilt längst als unbestrittener König dieser Klasse, es gibt jedoch manchmal auch andere vortreffliche Schaumweine aus verschiedenen Ländern. Beispielsweise gibt es bestimmte Winzersekte, welche schlichtweg als hervorragend bezeichnet werden dürfen.

3. Die dritte Methode verdient eigentlich nicht die Bezeichnung einer ‚Methode‘, da es sich lediglich um das Imprägnieren mit Kohlensäure bzw. dem nachträglichen Einpumpen fremder Kohlensäure in einen Wein handelt. Letztlich handelt es sich beim Enderzeugnis eher eine Art ‚Weinbrause‘, die zwar auch als ‚Schaumwein‘ bezeichnet werden darf, in manchen Ländern (wie z.B. in Deutschland) jedoch auf dem Etikett als ‚Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure‘ gekennzeichnet werden muss. Oft gelten Schaumweine dieser Art unter Weinkennern von der Qualität her als ‚unterste Schublade‘.

Apropos ‚Qualität‘: Nicht jeder Schauwmein darf jedoch als ‚Qualitätsschaumwein‘ bezeichnet werden. Der Gesetzgeber hat mit mindestens einem halben Dutzend weiterer Schaumweinqualifikationen dafür gesorgt, dass Geniesser von Herstellern bei der Qualität der erzeugten Schaumweine nicht irregeführt werden können. Leider, wie so oft bei ‚komplexen Vereinfachungen‘ versteht der Grossteil der Geniesser nicht die (auf dem Etikett mehr oder minder vermerketen) Hinweise.

Wie angemerkt ist Schaumwein nicht unbedingt ein Qualitätsschaumwein. Sekt ist zwar ein Qualitätsschaumein, jedoch nicht unbedigt ein ‚Q.b.A‘ bzw. Qualitätsschaumwein aus einem bestimmten Anbaugebiet (Sekt b.A.). Cava wiederum ist zwar ein Qualitätsschaumwein bzw. ein Sekt, wird jedoch gemeinhin nicht als ‚Sekt‘, sondern eben als ‚Cava‘ bezeichnet. Dann gibt auch den sogenannten ‚aromatischen Qualitätsschaumwein‘. Dieser Qualitätsschaumwein darf nur aus qualifizierten ‚Bukettrebsorten‘ (z.B. Gewürztraminer, Muskatsorten, Scheurebe und Huxelrebe) bereitet werden. Obwohl bei anderen Qualitätsschaumweinen gemeinhin mindestens 3,5 bar Druck vorliegen sollen, sind beim ‚aromatischen Qualitätsschaumwein‘ lediglich 3 bar Druck erforderlich. Der ‚aromatische Qualitätsschaumein‘ ist jedoch ein Qualitätsschaumwein, welcher wiederum nicht als Sekt bezeichnet werden darf. Es gibt auch eine Ausnahme-Regelung, wo übliche Qualitätsschaumeine (Sekt) bei Viertelflaschen einen Kohlensäureüberdruck von lediglich mindestens 3,0 bar statt 3,5 bar aufweisen müssen. Schaumwein wird zudem nicht nur aus Trauben bereitet, sondern auch aus vielen anderen Früchten. Diese Schaumweine sind jedoch ‚offiziell‘ nicht Schaumweine, sondern eher ‚Fruchtschaumweine‘ bzw. die Frucht muss angemerkt werden (z.B. ‚Apfelschaumwein‘ ). ‚Flaschengärung‘ ist auch nicht gleich Flaschengärung. Es wird zwischen ‚Flaschengärung‘ und ‚Flaschengärung nach dem traditionellen Verfahren‘ unterschieden.

Es ist folglich verständlich, dass viele Schaumweingeniesser, welche einfach die Superlative unter Schaumweinen wünschen, gleich zum Champagner greifen.

Die Geschichte des Schaumweins

Sollte jemandem die ‚Erfindung‘ von Schaumwein zugesprochen werden, dann gebühren die Lorbeeren eindeutig einigen findigen Benediktinermönchen aus dem Tal der Aude im Süden Frankreichs.

Nachweislich füllten diese Mönche der Abtei Saint-Hilaire in Limoux schon um 1540 absichtlich unvollständig vergorene Weine im kühlen Herbst in Flaschen ab, verkorkten sie mit den damals neu entdeckten Eichenkorken und sicherten die Korken mit Schnüren am Flaschenhals. Im warmen Frühling gärte der Wein weiter und die Kohlensäure war in den Flaschen gefangen.Voila: Die ersten Schaumweine waren geboren!

Diese ‚Ur-Methode‘ der Schaumweinherstellung wird als méthode ancestrale bezeichnet. Zu Zeiten dieser méthode ancestrale gab es jedoch noch kein Verfahren, um den Hefesatz sachgerecht aus den Flaschen zu entfernen. Daher handelte es sich damals um eher trüben Schaumwein, mit dem auch der Hefesatz seinen Weg ins Glas des Genießers fand. Diese Ur-Schaumweine wurden später auch als Blanquette-Weine bekannt. Die heutigen bekannten Schaumweine Blanquette de Limoux werden zu 95% mit moderneren Methoden gewonnen. Die Winzer lassen es sich jedoch nicht nehmen, die übrigen 5% ihrer Schaumweine genau wie die findigen Mönche im Stil des 16. Jahrhunderts herzustellen.

Auf ähnliche Art und Weise entstanden im 17. Jahrhundert Schaumweine in England, welche man eigentlich auch als ‚Ur-Champagner‘ bezeichnen könnte:

Die Winzer in der Champagne vergärten ihre Weine bestmöglich vor der Auslieferung, manchmal aber nicht vollständig. In der Champagne setzte oftmals herbstlich kühles Wetter während des Herstellungsprozesses der Weine ein, welches bedingte, dass die Hefen sich vor der Vollendung der Gärung in gewisser Weise ‚in den Winterschlaf‘ begaben. Im Frühling wurde der Wein dann in Fässern nach England exportiert. Angekommen in England, wurden die Hefen im wärmeren Frühlingswetter plötzlich wieder munter. Die in Flaschen abgefüllten und verkorkten Weine waren in der Folge schon damals bescheidene Schäumer, die am englischen Königshof große Begeisterung hervor riefen (siehe auch Saint Evremond).

Schon 1662 dokumentierte ein Dr. Christopher Merret bei der ‚Royal Society of England‘, dass Weinhändler verschiedenen Weinen offenbar „sugar and molasses“ (Zucker und Melasse) hinzufügten, um das Schäumen zu fördern. 1676 sprach ein Sir George Etherege sogar von einem ’schäumenden Champagner‘.

Hinzu kam, dass die Technik zur Produktion hochwertiger, kräftiger Flaschen (verre anglais) in England bereits bestand. Diese robusten Flaschen konnten dem Kohlensäure-Druck weit besser standhalten als herkömmliche Flaschen aus Frankreich.

Auch Eichenkorken waren durch Englands regen Handel mit Portugal längst verfügbar. In der Champagne wurden derzeit noch weitgehend undichte Holzpfropfen und unzulängliche Flaschen eingesetzt. Hinzu kam, dass den Winzern in der Champagne das nachträgliche Sprudeln mancher ihrer Weine im Frühling zwar bekannt war, dies jedoch keineswegs Begeisterung auslöste, sondern die Winzer eher ärgerte: Schäumender Wein galt als fehlerhaft, minderwertig und unreif. Regelmäßig wurde derartiger Wein dann als vin du diable (Teufelswein) bezeichnet. Erst 20 bis 30 Jahre später setzten sich kräftigere Flaschen und Eichenkorken langsam auch in der Champagne durch. Zudem merkten manche Winzer in der Champagne inzwischen, dass ihr ‚vin du diable‘ anderswo als ‚vin mousseaux‘ sehr verehrt wurde. In der Folge wurde dann auch in der Champagne der Wahrung und Förderung der Kohlensäure mehr Beachtung geschenkt.

Im Laufe der Zeit verfeinerten findige Winzer und Mönche in der Champagne u.a. auch das Verfahren der Gärung in der Flasche. Bis um 1730 entstand Schaumwein jedoch lediglich als ein Produkt der natürlichen Nachgärung in der Flasche. Danach wurde der Wein zunehmend in früheren Stadien der ersten Gärung in Flaschen abgefüllt, um dem Wein noch mehr Kohlensäure in den Flaschen zukommen zu lassen. Flaschenbruch war keine Seltenheit mehr.

Neben dem zunehmenden Druck in den Champagner-Flaschen erhöhte sich für Champagner-Häuser simultan auch ein ganz anderer Druck: Konkurrenz aus dem Ausland! Dass der Schaumwein aus der Champagne große Beliebtheit genoss, war inzwischen international bekannt. Schon kurz nach den napoleonischen Kriegen war die Champagne bereits zum Symbol des Schaumweins geworden. Länder wie z.B. Deutschland, Österreich, Italien, die Schweiz, Ungarn und Russland brachten im 19. Jahrhundert ebenfalls große Mengen an Schaumwein hervor.

Hinzu kam, dass jeder Schaumwein, ungeachtet seiner Herkunft, im deutschsprachigen Raum von der Bevölkerung gemeinhin völlig selbstverständlich als ‚Champagner‘ bezeichnet wurde. Den Begriff ‚Schaumwein‘ kannte so gut wie kein Mensch, obwohl ein Herr J. G. Herder aus Deutschland bereits 1779 dem deutschen Wortschatz eine Lehnübersetzung des französischen ‚vin mousseux‘ hinzugefügt hatte: ‚Schaumwein‘. Erst 1876 bestätigte ein deutsches Wörterbuch den Begriff ‚Schaumwein‘. Bis zum Versailler Vertrag (1919) untersagte deutschen Schaumweinherstellern kein Gesetz, ihren Sekt nicht auch als ‚Champagner‘ bezeichnen zu dürfen.

Der grosse Durchbruch für den Schaumwein aus der Champagne erfolgte um 1800 mit einem Erlass des französischen Ministers Antoine Chaptal (siehe auch Chaptalizierung). Fortan war es gesetzlich gestattet, jene Weine, welche von Natur aus bei der Gärung mit verhältnismäßig wenig Zucker ausgestattet waren, mit zusätzlichem Zucker zu bereichern.

Besonders für die Winzer der Champagne war die Gestattung des nachträglichen Zuckerns äußerst vorteilhaft, da die Umweltbedingungen dieses nördlich gelegenen, kühlen Weinbaugebietes nur selten genügend natürlichen Traubenzucker in die Reben einzubringen vermochten.

Eigentlich bezog sich diese neue Regelung auf die Zugabe des Zuckers zum Most vor der ersten Gärung. Bald darauf jedoch führten Kellermeister ihren Weinen auch Zucker unmittelbar vor dem Abfüllen in Flaschen zu; diese Zugabe wurde als prise de mousse bezeichnet und führte zu fantastischen Schäumern. Erschreckenderweise explodierten jedoch bis zu 80% der Flaschen in den Kellern der Champagner-Häuser. Man wusste vom naturwissenschaftlichen Standpunkt her nicht, wieviel Zucker für die Nachgärung in den Flaschen richtig war. Dieses gefürchtete Phänomen wurde damals als casse bezeichnet. Der enorme Prozentsatz der Flaschenbrüche bedingte auch erhebliche Preiserhöhungen. Folglich konnten sich nur Reiche die verbleibenden Champagner leisten. Daraus entfaltete sich auch die Bezeichnung der Champagner (und später auch Sekt) als ‚Luxusgetränk‘.

Die unansehnliche abgestorbene Hefe in den Flaschen (Hefetrub) konnte bis zu diesem Zeitkunkt nur umständlich aus dem Schaumwein entfernt werden konnte. Champagnerflaschen wurden anfangs Kopf voran in einen Sandkasten gesteckt, um die abgestorbene Hefe in den Flaschenhals zu verlagern. Um 1818 erfand die berühmte Witwe Clicquot gemeinsam mit dem Kellermeister Antoine Müller das Rüttelpult. Seither wurde das Rütteln der Flaschen zur Beseitigung des Hefesatzes zur Perfektion gebracht.

Bereits In 1815 stellte der französische Wissenschaftler Louis-Joseph Gay-Lussac folgende These vor: „Ein Molekül Zucker löst zwei Moleküle Ethyl-Alkohol und zwei Moleküle Kohlensäure und Hitze aus“. Obwohl richtungsweisend, waren die neuen Erkenntnisse in der Praxis der Champagner-Bereitung leider eher belanglos. Erst 1836 entwickelte ein französischer Apotheker eine Formel, welche zuverlässig die angemessene Menge des hinzugefügten Zuckers für die gewünschte Kohlensäure-Bildung in den Flaschen bestimmen ließ (siehe auch Réduction François).
1860 belegte der berühmte französische Wissenschaftler Louis Pasteur, dass die ursprüngliche Formel der Reaktion bei der Gärung nur auf ca 95% des umgesetzten Zuckers zutrifft, die übrigen ca. 5% wiederum wichtige sekundäre Stoffe wie (u.a.) Glycerin, höhere Alkohole und bestimmte Säuren bedingen.

Um 1880 waren lediglich nur noch ca. 5-6% der Champagner- und Sekt-Produktion vom Flaschenbruch betroffen. Obwohl die Ursache zur Bezeichnung als Luxusgetränk nun beseitigt war und Champagner wie auch Sekt inzwischen oft günstiger waren als andere Qualitätsweine, kam die staatliche Aufrechterhaltung dieser Qualifikation als ‚Gegenstand des Luxusgenusses‘ als Vorwand zur erheblichen Besteuerung der Schaumweine bis heute sehr gelegen. Im Jahr 2003 spülte die deutsche Schaumweinsteuer 432,3 Millionen Euro in die staatlichen Kassen.

Bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts handelte es sich weitgehend lediglich um eine durch Zucker verstärkte Fortsetzung der ersten Gärung noch junger (einjähriger) Weine mit verbleibender (noch lebenskräftiger) Hefe (oder zeitweiligem Zusatz vom Gärtrub einer anderen Weingärung) in Flaschen. Die méthode champenois war letztlich nicht mehr als eine Erweiterung der ursprünglichen méthode rural. Erst in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts begann sich die Zugabe eines hochqualifizierten Gemisches aus Wein, Zucker und besonderer Hefe (liqueur de tirage) bei den Champagner-Häusern zum Zwecke einer zweiten Gärung durchzusetzen. Erst seit der erfolgreichen Züchtung von Reinzuchthefen (1894 in Geisenheim, 1895 in Epernay) kann von Champagner- oder Sektherstellung im heutigen Sinne die Rede sein. Aus besonders guten Weinen wurden bestimmte Hefestämme von Wissenschaftlern sorgfältig isoliert. Bis heute sind sie als Champagner-Hefen bzw. Schaumwein-Hefen bekannt. Diese Hefen zeichnen sich durch hohe Alkohol- und Glycerin-Bildung aus und sind ideal für die Bereitung jener Schaumweinen, welche durch eine zweite Gärung bereits vergorener Weine entstehen. Bei hohen Alkoholgraden, erheblichem Kohlensäuredruck und kühlen Temperaturen, gären diese Zuchthefen weiter, wo die Vielzahl anderer Hefesorten längst versagt haben bzw. abgestorben sind. Hinzu kommt, daß Zuchthefen nach dem Absterben einen körnigen, leichter zu rüttelnden Satz bilden und gleichzeitig dem Schaumwein besondere aromatische Qualitäten verleihen.

Zwischendurch hatten die französischen Wissenschaftler Jaunay und Maumené 1852 mit einem druckfesten Großbehälter zur Gärung der Weine erfolgreich getüftelt. Schon 1888 wurde in Deutschland die ‚Deutsche Schaumweinfabrik in Wachenheim‘ gegründet, welche sogenannte Großraumgärung einsetzte. 1910 entwickelte der Franzose Eugene Charmat ein vorbildlich funktionierendes Drucktankverfahren zur automatischen Herstellung großer Mengen Schaumwein. Sein Verfahren veränderte die Schaumwein-Industrie in Europa schlagartig: Bereits 1930 wurden allein in Frankreich schon über fünf Mio. Flaschen Schaumwein mit dem ‚Charmat-Verfahren‘ produziert.

Um 1910 zeichneten sich bereits deutlich unterschiedliche Richtungen in der Schaumweinbranche ab. Während andere Gebiete in Frankreich und der Rest der Welt sich zunehmend den ‚fortschrittlichen Methoden‘ im Sinne der Verbilligung der Schaumweine durch Grossraumgärung, Quantität, abgekürzte Gärungsverfahren und Imprägnier-Schaumweinen zuwandte, blieb die Champagne streng ihrer Tradition der aufwendigen Flaschengärung und höchster Qualität (statt Quantität) treu. Ohnehin waren Champagner bereits weltweit als das non plus ultra wohlbekannt. Hinzu kam, dass sich viele prominente und einflussreiche Champagnerhäuser längst entfaltet hatten. Besonders im benachbarten Deutschland fasste jedoch die Großraumgärung zur Bereitung von Sekt zunehmend Fuss. Auch traditionell (durch Flaschengärung) bereiteter Sekt kämpfte um Marktanteile. Ebenso beteiligten sich inzwischen sehr günstige Imprägnierschaumweine erfolgreich am Markt.

Die Perfektion des Charmat-Verfahrens erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland. Seit vielen Jahrzehnten wird der Großteil der Schaumweine auf der ganzen Welt mittels der Großraumgärung gewonnen.

Es bestehen jedoch unter Weinkennern keine Zweifel, dass die aufwendige traditionelle Flaschengärung der Champagner (und auch manch anderer Schaumweine) einen weitaus höherwertigen Schaumwein hervor bringt. Im Gegenzug sind die ‚anderen‘ Schaumweine der Charmat-Methode jedoch wesentlich günstiger.

Qualität hat eben seinen Preis.

hu_HUMagyar